Wie hochsensible Menschen die Welt hören
- Tanja Alexa Holzer

- vor 4 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Wenn ein leises Piepsen Sie aus der Fassung bringt, sind Sie nicht zu empfindlich. Hochsensible Menschen hören die Welt ungefiltert, und genau das kann ihr Nervensystem überfordern. Dieser Brief erklärt, warum Geräusche schmerzen, erschöpfen und verändern.

Hochsensible Menschen hören Geräusche ungefiltert
Hochsensible Menschen hören nicht lauter als andere, sondern ohne Filter. Ihr Nervensystem sortiert auditive Reize weniger stark aus. Alles kommt an. Gleichzeitig.
Ein Ton bleibt nicht im Hintergrund.
Er bleibt präsent.
Er fordert Aufmerksamkeit.
Nachdrücklich und gemein.
Und er verschwindet nicht von selbst.
Diese Form der Wahrnehmung ist Teil einer neurodiversen Reizverarbeitung und wird zunehmend unter Neurodivergenz verstanden.
Ein Brief über das Hören
Liebe Welt,
du bist nie still für mich.
Nicht einmal dann, wenn du flüsterst.
Ich höre das Piepsen an der Supermarktkasse,
lange nachdem du es vergessen hast.
Ich höre das Klackern von Absätzen, das Summen der Beleuchtung, das rhythmische Brummen der Kühlgeräte.
Für dich ist es Hintergrund.
Für mich ist es anstrengende Dauerbeschallung.
Nein, ich kann das nicht steuern oder wegtrainieren. So funktioniert mein Nervensystem.
Wie oft fühle ich mich der Lautstärke der Welt hilflos ausgeliefert …
Warum Geräusche für Hochsensible schmerzhaft sein können
Geräusche wirken nicht nur auf die Ohren.
Sie wirken direkt auf das Nervensystem.
Bei Hochsensibilität passiert Folgendes:
Reize werden tiefer verarbeitet
Wiederholungen verstärken sich
Pausen fehlen
Das führt dazu, dass gewisse Töne körperlich als Stress oder sogar Schmerz erlebt werden.
Nicht metaphorisch. Real.
Großraumbüros, Baustellen und das eine Piepsen
Ein Großraumbüro ist für hochsensible Menschen keine Arbeitsumgebung.
Es ist eine Reizfalle.
Stimmen überlagern sich
Telefone klingeln
Tastaturen klappern
Geräte surren
Alles gleichzeitig.
Ohne Schutz.
Eine Baustelle überflutet mehrere Sinneskanäle auf einmal.
Und dieses eine Piepsen im Supermarkt?
Es bohrt sich durch jede Konzentrationsschicht.
Auditive Reizüberflutung und ihre Folgen
Auditive Reizüberflutung bleibt nicht folgenlos.
Sie wirkt nach. Oft länger, als man von außen sieht.
Typische Auswirkungen sind:
Gereiztheit ohne klaren Anlass
Plötzlicher Konzentrationseinbruch
Mentale und körperliche Erschöpfung
Rückzug oder emotionale Abwehr
Kopfdruck, innere Unruhe
Das ist kein Mangel an Belastbarkeit. Das ist ein überlastetes System.
Neurodivergenz ist keine Schwäche
Ein neurodiverses Nervensystem arbeitet feiner, offener, intensiver.
Das bringt Tiefe, Empathie und Wahrnehmungsstärke – aber auch Grenzen.
Hochsensible Menschen benötigen:
akustische Ruhe
Rückzugsmöglichkeiten
Verständnis statt Anpassungsdruck
Nicht jedes Gehirn ist gleich. Und genau das macht Vielfalt aus.
Was hilft & was schadet, wenn die Welt zu laut wird
Wenn ein hochsensibles Nervensystem überflutet ist, braucht es keine Kommentare. Es braucht Schutz.
Keinesfalls hilfreich sind Sätze wie:
»Stell dich nicht so an.«
»Du bist überhaupt nicht belastbar.«
»Sei nicht so empfindlich.«
»Das war jetzt echt nicht so tragisch.«
Diese Sätze wirken nicht beruhigend.
Sie verstärken den Stress, erzeugen Scham und verlängern die Überreizung.
Was hochsensiblen Menschen stattdessen hilft
Den Rückzugswunsch akzeptieren, ohne Diskussion
Ruhe ermöglichen, statt Erklärungen zu verlangen
Verständnis zeigen, auch wenn man es selbst nicht nachempfindet
Nach einer auditiven Reizüberflutung braucht ein hochsensibler Mensch Zeit.
Stunden. Manchmal Tage.
Das Nervensystem muss sich neu regulieren. Nicht durch Durchhalten, sondern durch Ruhe.
Ein Satz, der wirklich hilft
»Ich sehe, dass es dir gerade zu viel ist. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.«
Mehr braucht es nicht. Alles andere macht es schlimmer.
Zum Schluss: Wenn die Welt zu laut wird
Wenn ich leiser werde, dann nicht, weil ich nichts zu sagen habe.
Sondern weil die Welt manchmal so laut ist, dass ich mich selbst nicht mehr höre.
Sonnige Grüße
Tanja alias Wortfeger
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