Lanzarote: Die Ruhe der kargen Vulkaninsel
- Tanja Alexa Holzer

- vor 2 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Eine Liebeserklärung: Warum ich als introvertierte Hochsensible (HSP) meine neue Heimat so sehr liebe.

Es gibt Orte, die nicht laut nach einem rufen. Sie flüstern. Lanzarote war für mich ein solcher Ort. Keine grellen Versprechen, kein hektisches Treiben, kein »Hier musst du hin«. Nur eine stille Anziehung, die ich erst rückblickend verstehe, nach über vier Inseljahren.
Als introvertierte Hochsensible (HSP) fühlte ich mich fast mein ganzes Leben lang mehr oder weniger »verloren« in der Welt. Ich war auf der Suche nach einem Platz, an dem ich atmen kann. Nach einem Umfeld, das mich nicht ständig reizüberflutet, sondern trägt, nährt und mich einfach sein lässt.
Die stille Schönheit der kargen Landschaft
Lanzarote ist keine Insel, die sich jedem sofort erschließt. Sie ist rau, karg und still. Für viele zu still. Und die Trockenheit schreckt einige ab. Begriffe wie »Staubinsel« oder »Steinwüste« kursieren. Doch genau dieses Gesicht der Insel liebe ich. Die schwarzen Lavafelder und weiten, steinigen Ebenen, die sanften Vulkanhügel mit erstaunlichen Lichtschattenspielen – sie schenken mir das, was in der modernen Welt selten geworden ist: innere Ruhe.
Die Sterne scheinen hier näher zu sein, beinahe wie in der Schweizer Bergwelt. Wenn der Mond auf den Wellen glitzert oder still zwischen den Palmen winkt, könnte ich vor berührender Schönheit heulen.
Auf dieser einzigartigen kanarischen Insel kann ich mich fallen lassen, ohne mich zu verlieren. Weniger aufdringliches Hintergrundrauschen, weniger Reizüberflutung, Erwartungen minimiert. Dafür Weite, Wind und der Atlantik mit seiner rauen, felsigen Küste.
Das Meer als Ort der Klärung
Oft sitze ich am Meer. Allein, auf einem sonnengewärmten Lavastein. Kein Musikrauschen, kein Smalltalk, keine Ablenkung. Nur die Wellen, die ihren eigenen Rhythmus atmen. Den typischen Meeresduft nach Salz und Algen in der Nase. Um mich krabbeln scheue Krebse über die Felsen.
Hier sortieren sich meine Gedanken von selbst.
Mein System fährt runter, ich finde meine Mitte, lasse los, was zu viel war.
Für mich ist die Meeresküste auf Lanzarote kein Ort des Urlaubs – sie ist eine Quelle der Klarheit.
Ein anderes Tempo, ein anderes Leben
Außerhalb des touristischen Mainstreams leben die Menschen hier anders. Ruhiger. Gelassener. Niemand scheint ständig unter Strom zu stehen, höchstens die Touristen manchmal, wenn sie von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten eilen. Doch diesen Strömen weiche ich aus. Vieles verliert an Wichtigkeit, wenn man in dieser ruhigeren, nährenden Energie lebt.
Ja, tatsächlich ist auch manches für mich schwieriger geworden, elementar Wichtiges aber leichter. Ich musste lernen, mich zu entschleunigen. Wenig läuft hier wie ein Schweizer Uhrwerk. Geduld und Gelassenheit sind überlebenswichtig. Beides sind keine Stärken von mir, ich musste mich daran gewöhnen. Aber jetzt will ich es nicht mehr anders.
Leben abseits der Touristenzentren
Viele kennen Lanzarote nur aus den Katalogen oder dem Internet: Sonne, Strände, Hotels. Doch abseits der Touristenzentren beginnt das echte Leben mit Raum für Ruhe und Selbstreflexion.
Küstenwanderungen oder gemütliche Spaziergänge, ohne auf Massen zu treffen. Den Wind und das Wellenrauschen in den Ohren. Diese Einsamkeit ist für mich kein Mangel, sondern ein kostbares Geschenk.
Als Introvertierte finde ich hier das, was ich in der Schweiz selten fand: genug Raum für mich, wo mein Nervensystem nicht ständig mit neuen Reizen gefüttert wird.
Sehe ich heute Fotos aus meiner alten Heimat, bin ich mittlerweile erstaunt über diese Fülle von Natur, Grün und Zivilisation. Im Mai 2022 war ich das letzte Mal in Zürich und der Kulturschock war damals nach einem Jahr Schweiz-Abstinenz bereits massiv.
Ganz ehrlich? Ich liebe die Schweiz immer noch! Ihre Vorzüge und ihre Einzigartigkeit sehe ich genau. Ich bin und bleibe Schweizerin auf Lanzarote. Meine neue Inselheimat passt einfach besser zu mir, zu meinen Bedürfnissen und meinem Wesen.
Ich vergesse meine eidgenössischen Wurzeln nicht. Das Schweizerische fließt in mein kreatives Schaffen, primär in meine Wandbilder mit antiken Buchelementen. Inspiration und Kraft dafür schöpfe ich jedoch aus meinen neuen Wurzeln und der sonnigen Atmosphäre der Atlantikinsel.
Kultur in wohldosierter Form
Ich war überrascht, wie viel kulturelles Leben es hier gibt: Konzerte, Lesungen und Kino (natürlich auf Spanisch!), Kunstausstellungen und natürlich die künstlerische Hinterlassenschaft von César Manrique. Doch anders als in Großstädten herrscht hier kein Überangebot, das einen zu erschlagen droht.
Eine bewusste Wahl ist möglich und die Freude ist umso größer, wenn ein Event tatsächlich ein nährender Volltreffer für meinen Intellekt ist.
Ich fahre nur hin, wenn es mich wirklich ruft. Und das fühlt sich befreiend an. Meistens verbringe ich meine Abende lieber zu Hause, lesend oder mit Musik, und ohne schlechtes Gewissen oder Gefühl, etwas zu verpassen. Endlich widme ich mich all den Büchern, die ich schon immer lesen wollte. Wie ich es geschafft habe, mir einen fast endlosen Strom an deutschsprachigen Büchern zu erhalten, liest du in diesem Blogartikel:
Fremdsprache als Rückzugsraum
Ein weiterer, unerwarteter Segen: die Fremdsprache. Spanisch ist für mich nicht nur ein Kommunikationsmittel, es ist auch ein Filter. Da Deutsch hier selten gesprochen wird, höre ich automatisch weniger von dem, was mich sonst oft überfordert: zu viele Worte, zu viele Eindrücke, zu viel Alltägliches.
Ich kann mich zurückziehen, ohne mich isoliert zu fühlen. Ich »schwimme« in einer Gesellschaft, deren (meistens enorm schnelle) Sprache ich oft noch nicht ganz verstehe. Das schenkt Ruhe im Kopf. Es ist eine leise, geschützte Form von Freiheit.
Fazit: Ein Zuhause für leise Seelen
Für viele klingt Auswandern nach Abenteuer, Veränderung, Aufbruch. Ja, das ist es alles auch. Für mich war es aber mehr, nämlich ein Heimkommen. Ein manchmal schmerzhafter Prozess der Selbstfindung. Ein Ankommen bei mir selbst.
Lanzarote ist kein Ort für jeden. Für mich ist es die perfekte Insel, um als hochsensible, introvertierte Auslandschweizerin in Frieden zu leben, zu schreiben, kreativ zu sein und einfach ich zu sein.
Hier darf ich still sein.
Hier darf ich anders sein.
Hier darf ich einfach sein.
Sonnige Grüße
Tanja alias Wortfeger
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